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Wegbegleiter für das Klosterleben – Ein Rituale aus St. Maximin in Köln (Cod. 1099)

Handschrift des Monats Februar 2022
Datum:
1. Feb. 2022
Von:
Dr. Harald Horst
Wichtige Ereignisse im Leben werden meist durch festliche Riten aus dem Alltag herausgehoben. Das ist im Klosterleben nicht anders – und erfordert ein individuell hergestelltes Buch wie dieses aus einem Kölner Frauenkonvent.
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Neben dem Kloster St. Cäcilien, in dessen Kirchengebäude sich heute das Museum Schnütgen befindet, gab es in Köln ein weiteres Augustiner-Chorfrauenstift, das dem hl. Bischof Maximin von Trier († 346) geweiht war. 1186 in der Nähe des Ursulastifts errichtet, lebten dort durchschnittlich 30 bis 50 Frauen, die überwiegend aus dem städtischen Bürgertum stammten. Bedeutung erlangte das Kloster durch Reliquienfunde von Gefährtinnen der hl. Ursula auf dem Gelände. Eine eigene Brauerei und Leinenweberei, vor allem aber die Verpachtung von Grundbesitz und die Vergabe von Erbrenten machten das kleine Kloster zu einem nicht zu unterschätzenden Wirtschaftsfaktor in Köln. Von den Kunst- und Kultgegenständen der Augustinerinnen ist heute jedoch kaum noch etwas erhalten. Die Gebäude selbst wurden bald nach der Säkularisation im Jahr 1802 abgerissen. (Cod. 1099, fol. 56r)

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Ob es in St. Maximin ein eigenes Skriptorium gab, lässt sich nicht eindeutig belegen. Einige Handschriften aus dem 15. bis 18. Jahrhundert enthalten immerhin Hinweise auf eine Herkunft aus diesem Augustinerinnenkloster. Solche Indizien sind etwa die Nennung des hl. Maximin in Kalendarien neben Heiligen, die bei den Augustinerinnen oder in der Kölner Kirche verehrt wurden (Augustinus, Monica, Ursula, Kunibert, Gereon usw.). Wenn der hl. Maximin zudem als „patronus noster“ (unser Schutzheiliger) angesprochen wird, darf dies als eindeutiger Beweis für die Herkunft einer Handschrift aus dem Kölner Maximinenkloster gelten. (Cod. 1099, fol. 21v)

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Solche Hinweise auf die Provenienz bedeuten allerdings längst nicht, dass eine Handschrift auch im Kloster St. Maximin geschrieben oder ausgemalt wurde. Einige in Darmstadt, Bonn und Düsseldorf liegende Codices legen vielmehr nahe, dass die Chorfrauen das Schreiben und Verzieren von repräsentativen Handschriften den Fraterherren am Weidenbach überließen, die im Spätmittelalter eine der produktivsten Kölner Buchwerkstätten betrieben. Daneben schrieben die Chorfrauen jedoch auch selbst Bücher für ihren eigenen Bedarf ab. Dazu gehören Gebets- und Andachtsbücher, teilweise im ripuarischen Kölner Dialekt verfasst, sowie handliche Büchlein mit Prozessionsgesängen für hohe Festtage. (Cod. 1099, fol. 2r)

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Auch das Rituale Cod. 1099 wurde offenbar im 15. Jahrhundert von den Chorfrauen in St. Maximin selbst zusammengestellt. Im heutigen Codex, den ein Ledereinband aus dem späten 16. Jahrhundert umschließt, wurden zwei unabhängig voneinander geschriebene Faszikel vereinigt. Der erste Teil (fol. 2r–55v) enthält den Ritus der Krankensalbung, Gebete zur Begleitung einer Sterbenden sowie Begräbnisriten. Im zweiten Teil (fol. 56r–79v) geht es dagegen um die Einkleidung und die Profess einer Ordensschwester, also die Aufnahme in die Gemeinschaft bzw. die Ablegung der feierlichen Gelübde (hier fol. 67v). Nachträge enthalten unter anderem Gebete bei einem Professjubiläum (fol. 80r–81v).

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Bei den Gebeten und Gesängen der Schwestern findet sich nur selten musikalische Notation: Auf fol. 46r–v wurde ein Prozessionsgesang bei der Rückkehr vom Grab einer Verstorbenen nachgetragen; auf fol. 57r ist die erste Zeile des Hymnus „Veni creator Spiritus“ und auf fol. 68r jene der Antiphon „Veni sancte Spiritus“ mit Hufnagelnoten unterlegt. Auch Buchschmuck ist rar: Neben blauen und roten Lombarden finden sich lediglich drei Zierinitialen auf fol. 2r, 57r und 68r. Sie bestehen aus einem drei Zeilen hohen blauen Buchstabenkörper mit Aussparungen, der umrahmt ist von rotem, teils grün akzentuiertem Fleuronnée, das wiederum als Blattornament in das Binnenfeld übergeht.

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Es steht außer Zweifel, dass das Buch für den Konvent St. Maximin in Köln geschrieben wurde. Die Begräbnisriten folgen laut Überschrift „dem Brauch unseres Konvents des hl. Maximin“ (fol. 21v); die Litaneien enthalten neben kölnischen Heiligen die Hauspatrone Maximinus, Gorgonius und Augustinus (fol. 61v). Sollten die Schwestern die Handschrift selbst geschrieben haben, würden die von mehreren Händen hochwertig ausgeführten Schriften für eine organisierte Schreibschule im Haus sprechen. Das Fehlen höherwertigen Buchschmucks dagegen bestätigt die Vermutung, dass solche Verzierungen stets außerhalb vorgenommen wurden.

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Cod. 1099 (hier fol. 57v) war bis vor kurzem in der Ausstellung „Von Frauenhand. Mittelalterliche Handschriften aus Kölner Sammlungen“ zu sehen, die das Museum Schnütgen in Kooperation mit der Erzbischöflichen Diözesan- und Dombibliothek Köln zeigte. Im Katalog zur Ausstellung (https://www.hirmerverlag.de/de/titel-2-0/von_frauenhand-2199/) sind die Handschrift und das Kloster St. Maximin ausführlich beschrieben.