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Fleuronnée in höchster Vollendung - Die Bibel der Isabella von Geldern (Cod. 1235)

Handschrift des Monats Oktober 2021
Datum:
1. Okt. 2021
Von:
Dr. Harald Horst
Das Kölner Klarissenkloster wurde schon bald nach seiner Gründung (1304) zu einem Zentrum der Buchmalerei. Als eine Vorlage für Fleuronnée-Schmuck könnte diese Bibel der Äbtissin Isabella von Geldern gedient haben.
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Das Kölner Klarissenkloster St. Klara wurde 1297 durch Richardis von Geldern, Witwe des Grafen Wilhelm IV. von Jülich, gestiftet und 1304 durch Erzbischof Heinrich von Virneburg bestätigt. Die Gebäude entstanden an der Nordwestecke der alten römischen Stadtmauer und bezogen deren Reste teilweise mit ein. Markantestes Bauteil war der heute noch erhaltene sogenannte Römerturm, der bis zur Auflösung des Klosters 1802 von den Klarissen genutzt wurde. Der Fund von Reliquien von Gefährtinnen der hl. Ursula sowie die Vernetzung des Konvents mit Kölner Patrizierfamilien und auswärtigen Adelshäusern machte das Klarissenkloster zu einem schnell wachsenden und wichtigen Teil der Kölner Stadtkultur. (Cod. 1235 (1), fol. 71r)

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In den 1330er Jahren traten die Schwestern Isabella und Philippa von Geldern in das Kölner Klarissenkloster ein. Sie waren Großnichten der Gründerin Richardis und brachten ein beträchtliches Vermögen mit in den Konvent, dem gemäß päpstlichem Privileg gemeinschaftlicher Besitz und feste Einkünfte gestattet waren. Die finanziellen Mittel der beiden Schwestern flossen in den Ausbau des Klosters sowie in verschiedene Stiftungen von kunsthistorischer Bedeutung. Davon wie auch von dem bedeutenden Skriptorium, das in dieser Zeit produktiv war, wird an dieser Stelle in den kommenden Monaten noch berichtet werden. (Cod. 1235 (1), fol. 63r)

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Als Isabella von Geldern 1340 zur Äbtissin des Klarenklosters gewählt wurde, stiftete sie eine zweibändige Vollbibel, die sich heute in der Diözesanbibliothek befindet. Eine Urkundenabschrift zu Beginn jedes Bandes erläutert, dass die Äbtissin ihren Schmuck, den sie in der Welt getragen habe, verkauft und dafür diese Bibel erworben habe (Cod. 1235 (1), fol.1v). Diese stelle sie nun dem Konvent zur Verfügung, verbinde damit aber die Verpflichtung, für sie und ihre Anliegen zeitlebens wie auch nach ihrem Tod zu beten.

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Während Band 1 die Bücher Genesis bis Hiob enthält, umfasst Band 2 die Bücher Sprichwörter bis Offenbarung (Cod. 1235 (2), fol. 2r). In ihrer Gestaltung sind die Bände nahezu identisch: Der lateinische Text ist, zusammen mit den traditionell vorangestellten Prologen des Hieronymus, in einer gotischen Textualis formata geschrieben und nimmt 49 Zeilen in zwei Spalten ein.

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Der Buchschmuck ist nur auf den ersten Blick bescheiden. Zwar findet sich keine Deckfarbenmalerei in den Bänden und die Kapitelanfänge werden lediglich mit abwechselnd roten und blauen Buchstaben markiert. Doch die Initialen der Prologe und der biblischen Bücher sind als übergroße, oft ein bis zwei Dutzend Zeilen einnehmende Zierbuchstaben mit geradezu ausuferndem Fleuronnée-Schmuck gestaltet. Die Körper der Buchstaben bestehen dabei aus rot, blau und teilweise gelb alternierenden Ornamentmustern, meist in Blattrankenform; einige davon sind mithilfe von Aussparungen gezeichnet (Cod. 1235 (2), 210r). Ihre Füllung und Außenzier hingegen wird aus feinen roten und blauen Federzeichnungen gebildet, deren überschwänglich ausgebreitete Ranken in feinen Schwüngen auslaufen. Stäbe in rot-blauem Farbwechsel verlängern die Buchstaben entlang der Textspalten bis zum unteren Seitenrand.

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Wo die Bibel entstanden ist, bleibt unklar; folgt man dem Text der Urkunden, kann sie nicht im Skriptorium des Klarenklosters selbst hergestellt worden sein. Ihre Fleuronnée-Malerei dürfte aber als Vorlage für die entsprechenden Initialen im sog. Rennenberg-Codex (Cod. 149, vgl. Handschrift des Monats März 2021) und anderen, nach 1340 in St. Klara entstandenen Handschriften gedient haben. Die Drolerien am unteren Rand einer Seite (Cod. 1235 (2), fol. 115v) deuten aber auf den Malstil der Klarissen hin und wurden wohl nachträglich hinzugefügt.

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Die Handschrift Cod. 1235 (1) ist ab 26. Oktober 2021 in der Ausstellung „Von Frauenhand. Mittelalterliche Handschriften aus Kölner Sammlungen“ zu sehen, die das Museum Schnütgen in Kooperation mit der Erzbischöflichen Diözesan- und Dombibliothek Köln zeigt: https://museum-schnuetgen.de/Von-Frauenhand-Mittelalterliche-Handschriften-aus-Koelner-Sammlungen. Auch wichtige Werke aus der Mal- und Schreibwerkstatt des Klarissenklosters, die sich in anderen Kölner Kultureinrichtungen befinden, werden dort zu sehen sein.

Digitalisate der Handschriften Cod. 1235 (1) und (2) sowie weitergehende Informationen können jederzeit über die Digitalen Sammlungen der Diözesanbibliothek abgerufen werden: https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hbz:kn28-3-3873 (Cod. 1235 (1)), https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hbz:kn28-3-3888 (Cod. 1235 (2)).

 
Abbildungen:

Cod. 1235 (1), 71r Beginn des Buchs der Richter

Cod. 1235 (1), 63r Prolog und Beginn des Buchs Josua

Cod. 1235 (1), 1v Abschrift der Stiftungsurkunde

Cod. 1235 (2), 2r Einführung, Prolog und Beginn des Buchs der Sprichwörter

Cod. 1235 (2), 210r Beginn der Apostelgeschichte

Cod. 1235 (2), 115v Prolog und Beginn des 1. Buchs der Makkabäer

Cod. 1235 (1), 2r Beginn der Bibel mit dem Brief des Hieronymus an Paulinus

 

Ansprechpartner:

Herr Dr. Harald Horst
Telefon: 0049 221 1642 3796 

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